Anselm von Havelberg

1120 hatte Norbert den Prämonstratenserorden gegründet, 1129 den Chorherren oder Priester zum Bischof von Havelberg geweiht. Anselm war Diplomat unter den Königen Lothar III., Konrad III. und Friedrich I. Er nahm an den Romzügen des deutschen Herrschers teil. In Byzanz verhandelte er als Anführer der deutschen Gesandtschaft wegen eines Bündnisses mit den Normannen. Auf Wunsch des griechischen Kaisers hielt er mehrmals theologische Streitgespräche mit griechisch-orthodoxen Theologen, um eine Wiedervereinigung beider christlicher Kirchen vorzubereiten. Wenn uns auch heute die Themen, über die man sich zu verständigen suchte, nicht gerade ausschlaggebend zu sein scheinen, so ist doch wichtig, dass damals überhaupt ein Vorstoß in ökumenischer Richtung gewagt wurde und dass die Gespräche in einer betont versöhnlichen Haltung geführt wurden.

Anselm besuchte das zweite Laterankonzil und spielte eine Rolle in den Auseinandersetzungen des deutschen Königs mit der päpstlichen Partei. Er verhandelte mit dem Papst über die Kaiserkrönung Friedrich I. und starb 1158 als Erzbischof von Ravenna. Dort wurde er auch bestattet. Die Jahre in Havelberg bilden nur einen Ausschnitt aus einem reichen Leben. Aber nach Dudo, der die Reihe der Havelberger Bischöfe eröffnete, war Anselm der erste, der nicht nur dem Namen nach Bischof von Havelberg war, sondern auch dort amtierte.

Anfangs hatte es den Anschein, als solle sich das Märtyrerschicksal Dudos an Bischof Anselm wiederholen. Denn in den Jahren nach dem Wendenkreuzzug war Havelberg immer noch heißer Boden. Die Mönche der Domkirche führten kein geruhsames Leben. Ein Brief, den Anselm an den befreundeten Abt von Corvey richtete, klingt zwar nach Art solcher Berichte ein wenig stilisiert (vgl. Nehemia 4,9 - 12), entwirft aber ein lebendiges Bild: "In meiner Krippe Havelberg weile ich Armer Christi mit meinen Brüdern, den Armen Christi. Einige von uns arbeiten an den Befestigungen im Angesicht der Feinde, andere stehen auf der Wacht gegen Angriffe der Heiden, andere sehen im Dienste des Herrn täglich dem Märtyrertode ins Auge, andere reinigten durch Fasten und Gebet ihre Seele, wieder andere beschäftigten sich mit dem Lesen heiliger Schriften und mit frommen Betrachtungen."

Die Kleriker Havelbergs unterstanden der Prämonstratenserregel und wurden vom Dompropst geleitet. Sie war gebunden an das dreifache Gelübde der Mönche: Keuschheit, Gehorsam und Armut. Anselm erwirkte Schutzbriefe, die für die Entwicklung des Havelberger Bistums von überragendem Wert waren. König Konrad versicherte (1150): er wolle "die Havelberger Kirche", die von Kaiser Otto dem Großen zur Ehre der Mutter Gottes gegründet, aber öfters angegriffen und fast völlig verwüstet sei, in seinen ganz besonderen Schutz nehmen; den Bischof Anselm aber; der an dem Aufbau und der Wiederherstellung der christlichen Kirche in Havelberg mit so großem Eifer arbeite und den König als einen standhaften frommen Diener der Religion und treuen Untertan ebenso wie als zuverlässigen Diener des Königs und des Reichs erprobt habe, wolle er bei dieser Sorge für die Wiederherstellung des Bistums möglichst unterstützen. Der Bischof soll berechtigt sein, in seinen verwüsteten und entvölkerten Ortschaften Kolonisten aus beliebigen Volksstämmen einzuweisen, die allein ihm untertänig und dienstbar seien. Kein weltlicher Herr dürfe sie zu Abgaben und Dienstleistungen - z. B. Holzfällen, Holztragen, Grabenziehen - zwingen. Außerdem stehe es der Kirche zu Havelberg frei, Geschenke von jedermann anzunehmen oder durch Kauf neue Erwerbungen zu machen, ohne dazu um obrigkeitliche Bestätigung nachsuchen zu müssen.

Ein Jahr später verbrieften auch Markgraf Albrecht der Bär und sein Sohn Otto feierlich den Verzicht auf alle Rechte und Zölle in den bischöflichen Besitztümern, stimmten jeder zukünftigen Schenkung und Erwerbung zu und versprachen den Beistand der weltlichen Macht, damit "der Gottesdienst zu Ehren der heiligen Jungfrau und zur Beförderung des Christentums unter den Heiden stets wachse und zunehme".

(Aus: Dom zu Havelberg, Text von Eva Hoffmann-Aleith)